REISEGEDANKEN

 

Was bleibt von einer Reise? Welche Szenen tauchen immer wieder im Kopf auf? Welche Geschichten erzählt man den anderen? Was macht für mich das Gelingen einer Reise aus? Was und wie erlebe ich?

 

Die folgenden Worte und Gedanken sind eine Einladung an Sie, sich näher mit dem Reisen zu beschäftigen. Vielleicht finden Sie die Gedanken anregend. wir freuen uns auch über einen Austausch. Bitte treten Sie gerne mit uns in Kontakt 😃

Der Rahmen

Wir setzen Ihnen mit dem individuellen Tourplan den Rahmen für Ihre Reise. Der sagt Ihnen, wo es lang geht. Aber er bestimmt nicht jede Minute Ihrer Reise – und so sind Sie völlig frei, innerhalb dieses Rahmens Ihre Reise zu erleben. Es ist gut, einen Rahmen zu haben, damit fallen Überlegungen und Entscheidungen weg, die am Energiehaushalt zehren können. Aber es ist auch „nur“ ein Rahmen – je nachdem, wie groß (insgesamt, aber auch als Rahmenbreite) er ist, desto mehr Fläche kann gefüllt werden.

 

Unser Reiserahmen bietet Sicherheit, aber auch freie Fläche für eigenen Inhalt

Reiseglück

Mit „Reiseglück“ bezeichne ich die unvorhergesehenen kleinen oder großen Erlebnisse, die nicht planbar sind, die einem aber ein Glücksgefühl bescheren. Es liegt in der Natur der Sache, dass wir Ihnen kein Reiseglück in den Tourplan einbauen können. Aber wir können die Chancen erhöhen, dass Sie so etwas erleben können! Indem wir den Tourplan nicht zu eng takten, indem wir offen sind für flexible Änderungen, indem unsere Guides offen und aufmerksam sind, indem wir viele Wanderungen und Spaziergänge einplanen. Nur wer Zeit, Muße und Neugier sowie offene Augen, Ohren und ein aufgeschlossenes Wesen hat, der erlebt die kleinen oder großen Begegnungen, die die Würze einer Reise ausmachen. Das kann ein gemeinsames Lachen über eine Situationskomik mit einem Ladenbesitzer sein, eine unangekündigte Zeremonie in einem Kloster, eine herzliche Tee-Einladung, eine berührende Lebensgeschichte, eine überraschende Naturschönheit, eine verborgene Einsiedelei, ein spontanes Spiel mit Kindern oder sonst etwas sein. Sie sind gespannt? Wir auch!

 

Eine Tee-Einladung und etwas zum Lachen – was braucht es mehr zum Reiseglück?

Grenzen erweitern

Eine Reise ist eine gute Gelegenheit, die eigenen Grenzen zu erweitern. Oder auch erst einmal, öfters an diese anzustoßen. Das kann auf körperlicher Ebene passieren (meistens kann man mehr als man denkt – und das gibt dann ein gutes Gefühl für die nächste Herausforderung) oder auch auf der geistigen.

 

Ein kleines Beispiel: eine Gruppenreisende erzählte, als sie in Delhi ankam und die ersten Tage danach, als sie im Auto saß in diesem für sie völlig chaotischen Verkehr, da hat sie andauernd nur nahende Unfälle gesehen und sich vollkommen auf die Situation konzentriert. Mit den Tagen merkte sie, dass doch kein Unfall passierte und der Verkehr anderen Regeln folgte als die sie kannte. Und da sei es ihr möglich gewesen zu sehen, was hinter den ganzen Autos war, welche Geschäfte am Straßenrand lagen, welche Menschen dort spazierten oder anderen Tätigkeiten nachgingen, wie die Hauseingänge aussahen usw. Ihr Blick war begrenzt gewesen und hat sich dann erweitert.

 

Sehr spannend ist, die eigenen Gedanken und Interpretationen zu betrachten, die sich insbesondere bilden, wenn etwas nicht sofort in das Gewohnte einzuordnen ist. Gäbe es nicht auch andere Erklärungen?

 

Und drittens können wir natürlich für uns neue Dinge ausprobieren. Auch hier ein Beispiel aus einer Gruppenreise nach Ladakh. Am Ende nach ihren Reisehighlights befragt, antworteten alle, dass es die Überwindung des 5.000er Passes gewesen sei – bis auf die Älteste. Die war stolz darauf ohne ein Wort englisch gelernt zu haben allein auf dem Markt etwas eingekauft zu haben. Incl. Verhandlung.

 

Manche Grenzen sind nicht so fest, wie man sie vermutet

Grenzen setzen

Grenzen sind aber auch sehr wichtig! Da Sie mit einem Reiseveranstalter unterwegs sind, müssen wir Ihnen Grenzen setzen was Ihre Sicherheit betrifft. Im rechtlichen Sinn sind oftmals wir verantwortlich und somit müssen Guides Sie davon abhalten etwas zu tun, was Sie im anderen (Reise)kontext Ihre eigene Verantwortung wäre. Warum wir das hier erwähnen? Weil manche Guides darüber klagen, dass sich Reisende deren sicherheitsmotivierten Ansagen widersetzen wollen. Das passiert seltenst, aber wird doch manchmal von Guides angemerkt so dass es uns sinnvoll erscheint, es hier zu erwähnen.

 

Eine andere Grenzen müssen unbedingt Sie selber setzen! Zuviel Fremdheit kann in Abwehr umschlagen, zuviele Menschenbegegnungen können anstrengen und verschlossen machen, zuviele Eindrücke können nicht mehr sortiert und verarbeitet werden, zuviel Anstrengung kann zu Verletzungen führen – kurz gesagt: wer nicht auf seine eigenen Grenzen aufpasst gerät in Gefahr, der Reise keine Freude abgewinnen zu können. Und unsere Reiseziele sind herausfordernd – nicht nur physisch sondern auch psychisch. Ich leitete mal eine tolle sehr aufgeschlossene und freundliche Frauengruppe durch Rajasthan. Neugierig und offen begegneten sie den vielen neuen und fremden Menschen. Für den letzten Tag bot ich ihnen eine Auswahl an: tote Steine angucken oder lebendigen Witwen begegnen. Ich war mir so sicher, dass sie zweites wählen würden – und sie entschieden sich für die toten Steine. Ich war enttäuscht. Aber nur kurz – danach war ich freudig stolz: sie hatten ihre Grenzen erkannt! Es waren sehr viele Begegnungen mit Fremdheit – und eine weitere hätte die positive Stimmung kippen lassen können. Und auch ich selber kenne es nicht nur aus meinen ersten indienjahren: manchmal muss ich mich zurück ziehen. Allein mit einem deutschen Buch oder so im Hotelzimmer sitzen und wieder auftanken für die geballten Eindrücke. Von daher: Achten Sie bitte auf sich!

 

Eine vielleicht sinnvoll gesetzte Grenze um nicht verloren zu gehen in der unendlichen Landschaft

Resonanz

Resonanz ist eigentlich ein Begriff aus der Physik und kommt aus dem lateinischen, übersetzt mit Widerhall. Gemeint ist, dass etwas, dem ich begegne, etwas in mir auslöst. Das kann einseitig sein (z.B. rufen Berge, durch die ich wandere, eine Leichtigkeit und ein Glücksgefühl in mir hervor) oder auch wechselseitig (nach einem guten Gespräch fühle ich mich nicht nur gut, sondern das Gesagte und die Gesprächsatmosphäre arbeiten noch weiter in mir – und meinem/r GesprächspartnerIn). Je mehr Resonanz ich auf einer Reise erlebe, desto eindringlicher und positiver wird sie mir in Erinnerung bleiben. Was braucht es, um diese Resonanz zum Klingen zu bringen? Innere Ruhe und Offenheit für meine Umgebung.

 

Eine gute Idee: im Kloster innehalten und nachspüren

Interdependence

Interdependence wird mit wechselseitiger Abhängigkeit übersetzt und ist ein zentraler Begriff in der buddhistischen Philosophie. Nichts existiert unabhängig und für sich allein, weder Menschen untereinander noch Natur und das, was neu gestaltet wird. Durch die Globalisierung haben wir zumindest eine geistige Vorstellung vom immensen Beziehungsgeflecht dieser Welt. Aber es ist auch immer noch einmal etwas anderes, nicht nur zu wissen sondern auch zu sehen/erleben. Gerade eine Reise lässt sich nicht im luftleeren Raum unternehmen, ständig passiert etwas im Kontakt mit Anderem. Alle unsere Entscheidungen haben einen Effekt auf Andere – und die von denen auf uns. Wofür gebe ich wieviel Geld aus, wie werde ich als Individuum und auch als VertreterIn einer Gruppe wahrgenommen, wie reagiere ich auf Andere insbesondere in Stress-Situationen, wieviele und welche Ressourcen (Wasser, Kerosin, Strom, Nahrung usw.) nehme ich in Anspruch – es lohnt sich, die eigenen Entscheidungen manchmal bewusster wahrzunehmen und deren Effekte gedanklich durchzuspielen. Man kann sich um Entscheidungen mit positiven Auswirkungen bemühen – gelingen wird es einem nie gänzlich. Außerdem ist auch nicht immer eindeutig, was als positiv zu sehen ist. Schnelle Effekte können auf lange Sicht oder wenn man den Abhängigkeitskreis erweitert ins Negative umschlagen. Gestoppte Reisetätigkeit während Corona hatte einen (kurzfristigen) positiven Effekt auf die Luftverschmutzung, aber einen negativen auf im Tourismus arbeitende Menschen. Oder ist es für die positiv, weil sie sich über neue Verdienste kümmern können?

Wen das Thema der Interdependence mehr interessiert, ein kurzer gut verständlicher Artikel ist hier

 

Gute Gedanken aus der buddhistischen Lehre, denen man beim Reisen begegnet

Nachhaltigkeit & Co

Eine meiner verehrten Personen der indischen Öffentlichkeit ist Arundhati Roy. Ich habe diverse Bücher und Aufsätze von ihr gelesen und ein Punkt ist mir stark im Gedächtnis geblieben. Leider finde ich die Stelle nicht wieder, von daher zitiere ich aus dem Gedächtnis: „Wir können nicht sein ohne schuldig zu sein“. Gemeint ist folgendes: wir leben auf einem Planeten mit z.T. endlichen Ressourcen und unendlichen Umweltproblemen. Gerade in modernen (Konsum)Gesellschaften wird verbraucht, was zu Lasten der Umwelt geht. Aber selbst als „autarke Waldbewohnerin“, die sich in den Naturkreislauf integriert, könnte ich schuldig sein an meinen Mitmenschen, denen ich kein übliches soziales Miteinander bieten kann. Außerdem schützt sparsamer Ressourcenverbrauch nicht davor, dass ich potentiell ein „menschliches Arschloch“ sein kann. Aber wir können uns entscheiden. Beispielsweise ist eine Flugfernreise definitiv eine unökologische Entscheidung. Andererseits generiert sie Einkommen in anderen Ländern, kann zur „Weltengemeinschaft“ beitragen und zur eigenen Zufriedenheit. Denn nur wer mit sich selber zufrieden ist, kann gut mit Anderen sein. Was wiegt wieviel? Das überlassen wir Ihnen!

 

Für uns leben und arbeiten wir im Tourismus nach der Maxime: nach bestem Wissen und Gewissen handeln und den Reisenden eigene Entscheidungen zugestehen. Als Reiseveranstalterin habe ich mich nur strikt für eine Sache entschieden: bei mir gibt es keine Vergnügungsrundflüge. Da blutet mein Ökoherz zu stark.

 

Vielen Dank für Ihren Besuch!

Der soziale Handabdruck

Es gibt den Begriff des ökologisches Fußabdrucks, der messbar machen soll, wie umweltschädigend man ist. Das ist ein Aspekt, der im öffentlichen Gespräch eine wichtige Rolle spielt, wenn es um das Reisen und die daraus resultierenden Umweltschäden geht. Und es bedeutet, dass man etwas hinterlässt bei den Leuten und dem Land, welches man besucht hat. Reisen hat aber nicht nur die ökologisches Komponente sondern auch eine soziale – insbesondere wenn es in Länder des globalen Südens geht. Hier lauert insbesondere Rassismus. Pauschal gesehen herrscht ein Ungleichgewicht – während der westliche Reisepass globale Bewegung leicht macht und die Finanzen verhältnismäßig vieler westlicher Menschen eine Fernreise ermöglichen, ist es anders herum nicht so. Wir Reisenden gehören üblicherweise jener Kultur an, die die Definitionsmacht als auch die Macht zur Fehlinterpretation besitzt.

 

Wenn wir Reisenden also in Kontakt treten mit den Menschen im bereisten Gebiet, hat das auch eine Auswirkung auf diese (siehe Thema Interdependence). Wie nehmen diese mich wahr? Werde ich in Erinnerung bleiben als eine freundliche, sympathische, höfliche Person oder eine Besserwisserin, ein Meckerpott, eine Ignorantin der örtlichen Gegebenheiten und der menschlichen Gegenüber, eine überhebliche Person, ein Sturkopf, eine Hygienefanatikerin, die den anderen zu verstehen gibt, dass sie schmutzig seien. Neige ich dazu, alles, was mir (an Fremdem) begegnet, zu bewerten oder kann ich es wertneutral interessiert anschauen? Was macht das mit meinem Gegenüber? Welchen menschlichen Eindruck hinterlasse ich also? Nicht nur ich als Individuum sondern auch als VertreterIn einer Gruppe (der Reisenden, der westlichen Menschen etc.) Und was macht das mit „den Bereisten“?

 

Ein kleines Beispiel: eine große deutsche Reisegruppe (nicht meine) war in einem indischen Ressort bei einem Kochkurs. Zuerst wurden die Kochschritte der Lehrerin überwiegend negativ kommentiert (soviel Fett? Das ist doch ungesund. Die Schärfe ist nicht gut für unsere Mägen. Das muss man doch besser durchkochen usw.) Beim Probieren überraschte Gesichter: oh, es schmeckt ja. Und zugleich wurde wieder zurück gerudert und man erging sich in Phantasien, was man der Kochlehrerin mal aus der eigenen Küche kredenzen würde. So ein Kartoffelsalat, so und so angemacht, da würde sie aber staunen! – Ich fragte die Kochlehrerin, wie sie sich dabei gefühlt habe. Sie zuckte die Schultern: sie sei es so gewohnt. Aber manchmal seien auch wirklich interessierte Leute dabei.

 

Mein eigener sozialer Handabdruck ist nicht immer ein streichelnder unterstützender. Meine Hand blockt auch manchmal ab oder fuchtelt herum. Einiges an Arroganz und Ignoranz war/ist mir nicht bewusst. Reisen bietet mir eine Chance, zu lernen.

 

Anmerkung: In der bisherigen öffentlichen Kommunikation kommen die Begriffe „sozialer Fußabdruck“ oder „sozialer Handabdruck“ vor – jedoch sind sie mit anderem Inhalt gefüllt als dem von mir beschriebenen. Ich würde mich freuen, wenn sich meine Interpretation durchsetzt – oder ich einen passenderen Begriff finde.

 

Hände(ab)druck – wichtig, wie man ihn gestaltet