So ein kleines Land – und so viel Geschichte und aktuelle Geschehnisse!
Armenien ist so groß wie Brandenburg, also ziemlich klein für ein Land. D.h., dass man überall innerhalb eines Tages hinreisen kann – selbst von der äußersten Nordspitze bis zum südlichsten Punkt. Bei 3 Mio EinwohnerInnen leben 1 Mio in der Hauptstadt, der Rest verteilt sich im Land. Für BergfreundInnen wichtig: es ist ein Gebirgsland mit 90% der Fläche über 1.000 m. Höchster Berg ist der 4.090 m hohe erloschene Vulkan Aragaz. Niedrigster Punkt ist bei 380 m ganz im Süden nahe den Grenzen zu Aserbaidschan und Iran. Der kleine Kaukasus zieht sich durch den großen Teil des Landes. Das Gebirge hat von versteppten Hochebenen über schroffe Felsen, canyonartigen Vertiefungen, einem riesigen See, grasbewachsenne Almen und bewaldeten Abhängen ziemlich viel zu bieten. Das macht Armenien als Reiseland definitiv sehr attraktiv.
Allerdings muss man sich darauf gefasst machen, viel Traurigkeit zu begegnen. Der Genozid von 1915 sitzt allen noch im Hinterkopf insbesondere da es weder eine internationale Anerkennung noch eine türkische Entschuldigung gibt. Und Berg-Karabach (Arzakh) ist nicht nur Dauerthema sondern ist mit immer wieder aufflackernden Kriegshandlungen sehr präsent. Und gerade mit diesen beiden Feinden hat man die meisten Grenzstrecken. Und dann sind da die steten sowjetischen Gebäude, die Blocks vielfach geflickt, verwitternd, zerbröselnd, die Ex-Fabriken nur noch skelettierend herumstehend und der brutal-bombastischer Beton als Skulptur oder Platzgestaltung im öffentlichen Raum.
Es gibt gibt mehr ArmenierInnen außer- als innerhalb Armeniens – (10 Mio – davon nur 3 Mio in Armenien) und die sorgen mit Stiftungen und Direktüberweisungen auch für eine Aufbesserung des Einkommens. Armenien selbst erholt sich nur schwer nach dem Zerfall der Sowjetunion und hat auch noch erschwerte Bedingungen mit den geschlossenen Grenzen zu Türkei und Aserbaidschan, dem kleinen Nadelöhr Iran und einem gespaltenen Verhältnis zu Georgien (Georgien ist zu dick Freund mit der Türkei während diese Armenien vorwerfen, zuviel Kontakt zu Russland zu haben). Große Hoffnung wird in den IT-Sektor gesetzt und aufstrebende nationalbewusste junge Menschen, die sich für ihr Land engagieren.
Mit den Menschen kommt man gut zurecht. Zwar wird sehr wenig englisch gesprochen (russisch ist dagegen sehr weit verbreitet), aber man bemüht sich um Verständnis und Kommunikation. Wir empfehlen definitiv eine dolmetschende Begleitung.
Armenien ist ein überaus interessantes Reiseziel. Es ist nicht verkehrt, sich mit der Geschichte, der aktuellen Politik und dem Lebensalltag auseinander zu setzen. Guter Gegenpol dazu sind die freundlichen Menschen, die wundervolle Landschaft, die alten Kirchen und der geringe Tourismus. Es gibt viel zu entdecken und erfahren – reisen Sie hin!
Die touristische Infrastruktur ist (noch) nicht sehr fortgeschritten, aber im Prinzip findet sich überall ein sauberes Plätzchen zum Schlafen – ggf. auch Privat. Es gibt Gästehäuser und kleine Hotels an den touristisch wichtigen Orten (neben Yerevan z.B. Dilijan, Gyumri, Goris, Sewansee). Durch die geringe Größe des Landes bleiben viele Reisende in der Hauptstadt um von dort Tagestouren zu machen. Wir sagen: erweitern Sie unbedingt den Radius und übernachten Sie auch woanders. So lässt sich das Land wesentlich besser kennenlernen.
In Armenien hat erst einmal nicht viel offensichtliches die Sowjetzeit überlebt. Es gibt kaum traditionelle Gebäude (die Altstadt Yerevans wurde abgerissen), wenig öffentliches traditionelles Design (z.B. in Stoffen, Alltagsgegenständen). Ausnahme ist alles, was mit Religion/Christentum zu tun hat, da hat viel überlebt (siehe weiter unten).
Musik, Tanz, Literatur, Schach, Film, Kunst – es gibt alles, aber man muss z.T. eher danach suchen als dass es einem aufgedrängt wird.
Anders als bei uns und definitiv interessant ist ein Friedhofsbesuch. Auf den Grabsteinen sind Zeichnungen der Verstorbenen, hochinteressant, wie diese dargestellt sind. Eine gute Gelegenheit gibt es in Goris.
Essen ist ein eigenes Thema. Armeniens traditionelles Fladenbrot, Lavash, hat den Status eines immateriellen UNESCO Weltkulturerbes bekommen. Auf den Dörfern wird sehr viel angepflanzt, geerntet, getrocknet, eingemacht, verarbeitet – eine leckere Angelegenheit! Die Küche Armeniens ist vielfältig und schmackhaft – bitte probieren Sie nicht nur in den Restaurants sondern auch in Privatunterkünften.
Der Transcaucasian Trail hat 861 zusammenhängende Kilometer Wanderpfade aufbereitet, auf denen sich trekkend das Land durchqueren lässt. Nähere Infos dazu gibt es hier. Man kann Etappen auf dieser Wegstrecke machen – sei es nur eine Tagesetappe oder über mehrere Tage. Dabei gibt es Strecken, wo man ein Zelt und Kochgeschirr mitnehmen muss, aber auch Etappen mit Gästehäusern/Homestays (insbes. in den Provinzen Syunik und Vayots Dzor). Daneben gibt es noch weitere Wandervorschläge, zusammengefasst und ständig erweitert bei Hike Armenia. Die Gegend bei Dilijan eignet sich besonders gut für Tagestouren. Die Pfade sind markiert und von breit bis schmal ist alles dabei. Bei Schlechtwetter kann es auch schwierig werden, aber grundsätzlich sind die Strecken gut bewältigbar. Gerne arrangieren wir Ihnen die Tour/en, die Ihren Wünschen entsprechen!
Armenien rühmt sich, die erste christliche Herrschaft zu sein, die im Jahr 301 n. Chr. gegründet wurde. Und genauso alt ist Etchmiadzin, die als älteste Kirche der Welt gilt. Ebenfalls aus dem 4. Jahrhundert stammt das Kloster Geghard, gebaut in einer Höhle. Erwähnenswert als besonders schön gelegene Kirche ist Tatev aus dem 9. Jahrhundert. Dazwischen und danach wurden viele viele weitere Kirchen und Klöster gebaut, teilweise große und berühmte, teilweise sind es auch kleine feine Dorfkirchen, rauhe Gebäude im Wald oder ausgebaute Höhlen.
Unweigerlich werden sie Kirchen in Armenien sehen – wenn Sie bestimmte besichtigen möchten, bauen wir die gerne in den Tourplan ein. Kirchenfans brauchen wahrscheinlich mehrere Reisen um die vielen Details in den zahlreichen Kirchen zu entdecken.
Zwar kann man mit Basis in Yerevan das ganze Land erkunden, aber wir empfehlen, unbedingt auch Übernachtungen in Dörfern einzubauen. Bei Trekkingtouren passiert das ganz automatisch – aber auch wer nicht wandern geht, wird eine interessante Zeit in Dörfern haben mit einem ganz anderen Leben als in der Großstadt. Neben dem beschaulichen Dorfleben können Sie sich auch auf leckeres Essen aus eigener Ernte freuen. In der Region Syunik gibt es auch verlassene Dörfer zu besichtigen – eine spannende Sache, durch die Ruinen zu laufen.
Die christliche Geschichte haben wir oben schon erwähnt. Die Vergangenheit mit dem Genozid Anfang des 20. Jahrhunderts ist eine weiterhin offene Wunde Armeniens und Gegenstand heutiger Politik. Auch wenn es hart ist – wir empfehlen unbedingt den Besuch der Gedenkstätte Zizernakaberd mit der dazugehörigen Ausstellung in Yerevan. Der 24. April, das Datum an dem die ersten Verhaftungen armenischer Intellektueller in Istanbul statt fand, ist großer nationaler Gedenktag. Insgesamt hat Armenien eine durchaus bewegte Geschichte hinter sich, die es nach und nach auf einer Reise zu erfahren gibt. Aber auch die jüngeren Entwicklungen mit der Samtenen Revolution 2018 und dem Präsidentenwechsel sind interessant.
Auf 1.900 m liegt der 1.272 qkm große Sewansee, umgeben von Bergen. Während der Sowjetzeit wurde sein Wasser zu extensiv für die umliegende Landwirtschaft genutzt und der Wasserspiegel sank erheblich. Mit Tunnelsystemen zu anderen Wasserquellen ab den 90ern konnte der Wasserspiegel wieder angehoben werden. Die Fischbestände sind jedoch weiterhin nicht üppig und so herrscht eine Begrenzung zur Fischerei. An seinen Ufern machen armenische Familien gerne Badeurlaub und mit dem malerisch gelegenen Kloster Sewanawank lockt auch eine Sehenswürdigkeit.
Neben dem großen Sewansee gibt es mehrere kleine Seen im Land, z.B. im Wandergebiet Vayots Dzor. Wie kleine blaue Juwelen liegen sie anmutig in der weiten Landschaft – leider sind sie überwiegend zu sumpfig als dass man hineinspringen könnte.
Mit knapp über 1 Mio EinwohnerInnen ist Yerevan größte und Hauptstadt Armeniens. Sie gilt auch als eine der ältesten Städte der Welt, gegründet im 8. Jahrhundert. Allerdings ist das historische Stadtzentrum abgerissen und mit Neubauten ersetzt worden. Das kommt nicht schlecht an, die Straßen sind belebt von Menschen, die Lokale gut besucht und die Einkaufsmöglichkeiten viele. Die verborgenen Schätze lassen sich aber leicht mit einem geführten Rundgang entdecken.
Als Zentrum von Wirtschaft, Kultur, Bildung und Wissenschaft mit einer hohen Zuwachsrate in den letzten Jahrzehnten wirkt die Stadt jung und quirlig. Das weitläufige Areal bietet noch genügend Platz für alle. Der Verkehr ist moderat und wird noch aufgelockert durch das Ende der 1970 gebaute Metrosystem. Es ist nicht sehr groß: 10 Bahnstationen befinden sich auf 12,1 Schienenkilometer. Es ist sehr günstig, schnell und rüttelig – kurz gesagt: ein Erlebnis!
Diverse Sehenswürdigkeit – ganz oben Gedenkstätte und Museum Zizerkanaberd, Platz der Republik und die Kaskaden mit der Mutter Armeniens und bei gutem Wetter einem Blick bis zum Ararat über allem – laden ein, hier einige Zeit zu verbringen. Märkte, Museen und religiöse Stätten runden die Attraktionen ab. Aber insbesondere auch beim ziellosen Flanieren lässt sich viel entdecken.
Am bequemsten ist natürlich ein (geländegängiges) Auto mit Fahrer, welches einen in die entlegensten Ecken Armeniens bringt. Die Straßenverhältnisse sind Überland gut, zu den Dörfern eher herausfordernd. Spannend und günstig ist die Fortbewegung mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Für Überlandstrecken gibt es Marshrutkas (Minibusse), welche aber eher nur von/nach Yerevan sternenförmig fahren. Es gibt also nicht so gute Verbindungen zwischen den verschiedenen Orten. Man fährt tendentiell zu festen Zeiten, startet aber oft erst, wenn auch der letzte Platz besetzt ist. Zusammen mit dem Guide empfehlen wir jedoch mindestens eine Strecke öffentlich zu reisen.
Von meiner eigenen Reise im Herbst 2021 gibt es einen Blog und damit eine gute Möglichkeit, sich einen kleinen Eindruck zu verschaffen: