600 Rs. (ca. 13 Euro) kostet das Vergnügen. 3:30 Uhr nachts komme ich mit Schweißperlen im Gesicht am Busstand an. Kein Bus, aber einige Leute. Kurz vor 4:00 Uhr taucht er auf, das Dach schon völlig vollgepackt. Unser Gepäck, was auch nicht gerade wenig ist, wird von der Rückbank aus nach vorne gestapelt. Es ist knalldunkel mit Sternengesprenkel, im Bus dröhnen buddhistische Mantren über Lautsprecher und wir schaukeln und hüpfen in die Nacht hinaus. Es ist eng und schebbig und rüttelt und schüttelt und ist so anders als daheim. Und das mag ich. Das ist für mich unterwegs-sein.
Es dämmert im Himmel, die Konturen verschärfen sich, die Berge wachen auf. Frühstück in Khaltse etwas nach 7:00. Tee? Nö, noch nicht fertig. Und er macht auch keine Anstalten, welchen zu kochen. Die anderen Lokalbesitzer auch nicht. Wildes Gefeilsche am Apfelstand. Einer klopft eine Maniplatte zurecht. Einer reinigt den Gehsteig. Kein Tee.
Weiterfahren. Der Bus füllt sich und leert sich wieder. Pinkelpause auf dem Fatu-la. Es wird zäh. Es ist warm. Es staubt. Keine Mittagsrast. Kurz vor Kargil tanken. Und eine elendig lange Reparatur. Dann 15:15 Einfahrt in Kargil. Hier bleiben wir. Ich bin hungrig, durstig, müde, schlapp.
In Kargil begebe ich mich gegen 16:00 auf die Suche nach einem Lokal mit essen und trinken. Das ist gar nicht so einfach. Das erste: essen ja, trinken nein. Das zweite: ebenfalls. Das dritte: hinter einem speckigen roten Plüschvorhang hängen ca. 5 Typen herum und starren auf einen kleinen Fernseher. Ich könnte mir kaum mehr fehl an einem Platze vorkommen. Aber wieder mal getäuscht, der Kellner ist superfreundlich und höflich. Für eine Sprite schickt er jemanden in einen Laden nebenan. An Gerichten kann er mir allerdings nur eines anbieten: eine kaschmirische Spezialität mit Huhn. Ich hätte aber gerne was ohne Fleisch. Omelette? Ok. Und es wird mit hübsch drapierten Chapaties formvollendet serviert. Allerdings war irgendwas davon nicht so gut und ich verbringe die sowieso zu kurze Nacht mit übergeben.
Um 2:00 Uhr geht es weiter. Wir sind mehr geworden. Mehr Gepäck und mehr Leute. U.a. ein Peruaner, der schon ewig in der Schweiz lebt, Abel. Wir hüpfen wieder unter Mantrengesang in die Nacht hinaus. Und es gibt noch eine Lektion vom Dalai Lama über Non-violence im Buddhismus nicht einfach als Abwesenheit von Gewalt, sondern über das aktive Umgehen damit. Mit Beispielen von Hitler über Stalin bis Bin Laden.
Gegen 4:00 Uhr sind wir in Sankoo. Und hier ist erst einmal Schluss. Irgendwas im Bus ist kaputt. Es wird herumgeklopft und repariert und gemacht und getan, aber nach Stunden müssen sie der Wahrheit ins Auge blicken: ein wichtiges Teil ist hinüber und muss neu gekauft werden. Einer macht sich auf den Weg nach Kargil. Die Anderen lagern herum. Dösen. Gehen frühstücken. Waschen Haare. Putzen Zähne. Machen Scherze. Nehmen die Dinge wie sie sind.
Außerdem gibt es noch die Geschichte mit dem Hündchen. Ein Mönch hat ein 2-Wochen-altes Exemplar dabei. Es soll ein Wachhund für das Rangdum-Kloster werden. Er hat es einer tibetischen Familie abgeschnackt, die es zuerst nicht herausrücken wollte, aber mit der Aussicht auf ein Klosterleben dann doch weich wurde. Dieses Hündchen ist der Liebling aller. Und am Anfang der Kummer des Mönches: es mochte nichts essen. Verwirrt guckte es seine ständig wechselnde neue Umgebung an und vermisste sein altes Zuhause. Der Mönch war verzweifelt. Aber am 2. Tag hatte er die Lösung: in Milch getunktes Brot. Das Hündchen futtert und futtert, bis es ein kugelrundes Bäuchlein hat. Ich habe mich ebenfalls in das Hündchen verliebt und frage, ob es schon einen Namen habe. Nein, aber ich könne ihm ja einen geben. Ich wüsste keinen, aber als ich das erste mal in Ladakh Hunde mit Namen kennenlernte, das war 1995, hießen beide Pepsi, was ich sehr lustig fand. Au ja, das wäre ein toller Hundename! Und so heißt dieses Hündchen jetzt auch Pepsi. und das kleine Mädchen schleppt Pepsi hierhin und dorthin und spielt wilde Spiele mit ihm, und er läßt alles geduldig über sich ergehen.
Irgendwann kommt der Mann mit dem Ersatzteil und Einbauexperten. Und dann wird geschraubt und geklopft und gemacht und getan und es dauert wieder Stunden, bis das Ding an seinem Platz ist. Da ist es dann ca. 14:00. Der Motor startet. Die Frauen lachen.
Und los hüpfen wir die Straße weiter entlang. Pepsi ruht sich zwischen mir und einem anderen Mönch aus und träumt vom Hundehimmel. Die Berge sind rauh wie Bus und Straße. Gletscher brechen durch Bergspitzen und wir hopsen in unbewohnte Gegenden. Irgendwann der Tschörten, der die Grenze Islam/Buddhismus markiert. Pinkelpause im Nichts. Es düstert. In Yüldo, der einzigen Station mit Lokalen, ist alles dunkel und geschlossen. In Rangdum-Kloster steigt Pepsi in sein neues Zuhause aus. In Rangdum-Dorf steigt der Rest aus. Der Busfahrer hupt einige Einwohner zusammen und verteilt uns auf die Häuser. Ich bin mit Abel, 2 jungen und 1 älteren Zanskari bei einer Familie. Wir bekommen Buttertee. Es ist schon nach 21:00. Mir fallen ständig die Augen zu. Sie kochen. Reis mit Schaf. Es ist 22:00 und endlich alle bettbereit.
Ich rolle meinen Schlafsack aus, putze Zähne, wische mit einer Handvoll Wasser über das Gesicht, ziehe eine lange Unterhose an. Die 3 Zanskaris bekommen Matratze, Kissen, Decken und rollen sich dicht nebeneinander ein. Sie haben aus dem Bus nichts mitgenommen. Mich überrascht diese unkomplizierte Schlaf-Bett-Kultur immer wieder.
4:45 klingelt der Wecker. Alles dunkel. Einpacken und wieder zum Bus. Die Wirtsleute wollten kein Geld haben. Wieder hüpfen wir los, diesmal ohne Mantren, ohne Dalai Lama. Und ohne Frühstück. Aber zwischendrin besorgt immer wieder jemand Brot u.ä. von Gehöften und Hirten, wovon ich Happen abbekomme. Dann wird die Besiedelung dichter und einer nach dem anderen steigt mit seinen riesigen Gepäckstücken aus. Matratzen, Möbelstücke, Säcke voll mit irgendwas. In Padum ist Mittag und der Bus leer. Die Chowmein-Nudeln sind verpfeffert und das Shampoowasser aus meinen Haaren schwarz. Ich bin froh, angekommen zu sein. Und möchte die Fahrt nicht missen. Die 3 Tage gedauert hat statt der eigentlichen 2.
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